Mini-Atomkraftwerke (Small Modular Reactors) sind kompakte Reaktoren, die im Vergleich zu den herkömmlichen großen Atomkraftwerken eine geringere Leistung erbringen. Ähnlich wie ihre größeren Gegenstücke erzeugen SMRs Energie durch Kernspaltung. Die dabei erzeugte Wärme treibt Turbinen an, die wiederum Generatoren zur Stromerzeugung antreiben. Aufgrund ihrer überschaubaren Größe können SMRs in Fabriken vorgefertigt und durch ein modulares System direkt an ihren Einsatzort transportiert und rasch in Betrieb genommen werden. Ein Beispiel für ein derartiges Mini-Kernkraftwerk ist das russische Schiff Akademik Lomonossow, das sich nahe der Stadt Peek am Nordpolarmeer befindet und seit Ende 2019 Strom aus zwei solchen Kernkraftwerken mit einer Gesamtleistung von 70 MW liefert.
Da Wind, Sonne und Wasser nicht ständig ausreichend Strom liefern können, sehen Befürworter in den SMRs eine sinnvolle Ergänzung. Neben Russland unterstützen auch die Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien und Tschechien den Einsatz von Mini-Atomkraftwerken. Während Länder wie Belgien, Italien, die Schweiz und Deutschland den Ausstieg aus der Atomkraft planen, treibt auch Tschechien Pläne für das erste Mini-AKW Europas in der Nähe von Freyung in Niederbayern voran. Der Industriekonzern Rolls Royce plant ebenfalls den Bau von 16 Anlagen im Vereinigten Königreich, unterstützt durch staatliche Förderung.
Besonders umfangreiche Pläne gibt es in den USA, wo Präsident Joe Biden die SMRs als emissionsarme Übergangslösung ansieht. In diesem Zusammenhang entwickelt das Unternehmen NuScale ein System mit mehreren kleinen Reaktoren in einem kühlenden Wasserbecken, das anscheinend besonders sicher sein soll, da im Falle eines Ausfalls keine negativen Auswirkungen auftreten würden. Auch Bill Gates' Firma TerraPower wird subventioniert und setzt auf die Nutzung von Atomabfällen als Brennstoff sowie auf einen geplanten Neutronenreaktor, der mit Natrium anstatt Wasser gekühlt werden soll. Einziger Knackpunkt ist hierbei, dass das Natrium keinesfalls mit Wasser in Kontakt kommen darf. Dennoch bezeichnet Gates das Projekt als äußerst sicher, da die Steuerstäbe bei einem Stromausfall durch ihre Eigenschwerkraft die Reaktion automatisch stoppen würden. Ein solches Kraftwerk soll angeblich genug Strom für etwa 225.000 Haushalte erzeugen können.
Zusammenfassend betrachten Experten die folgenden Vorteile von Mini-Atomkraftwerken:
Geringere Baukosten im Vergleich zu großen Atomkraftwerken.
Schnelle Fertigstellung dank des modularen Systems.
Backup für Zeiten mit geringer Stromerzeugung durch Wind-, Wasser- und Solaranlagen.
Flexibilität, da die erzeugte Strommenge bei Bedarf schnell angepasst werden kann.
Während Befürworter den Bau von Mini-Reaktoren vorantreiben, äußern Kritiker Bedenken hinsichtlich ähnlicher Sicherheitsrisiken wie bei herkömmlichen Großanlagen. In einem Artikel der FAZ warnt Atomkraftexperte Christoph Pistner vom Öko-Institut in Darmstadt vor den Risiken: „Obwohl bei einer einzelnen SMR-Anlage weniger nukleares Material freigesetzt werden könnte, falls es zu einem Unfall käme, müssten für die gleiche Leistung wie bei einem großen Kraftwerk eben auch mehrere SMR-Anlagen betrieben werden. Dadurch könnte das Risiko insgesamt steigen.“
Zudem stellen die Anlagen eine erhebliche finanzielle Investition dar. Schätzungen zufolge kostet ein 300 Megawatt-System rund eine Milliarde Euro. Der Bau des 3200 Megawatt-starken neuen Atomkraftwerks Hinkley Point C in Großbritannien wird voraussichtlich etwa 27 Milliarden Euro betragen. Hinzu kommen die Kosten und Umweltauswirkungen der Entsorgung von Atommüll, der bis zu einer Million Jahre sicher gelagert werden muss, ohne die Umgebung zu verstrahlen. Bis heute gibt es dafür noch keine endgültige Lösung. Obwohl jedes Mini-AKW nur geringe Mengen an Müll produziert, summiert sich das Problem bei mehreren Anlagen.
Demgegenüber stehen nachhaltige Energiequellen wie Solarenergie. Die Hersteller von Solarmodulen sind gesetzlich dazu verpflichtet, alte Module kostenlos zurückzunehmen und zu recyceln. Tatsächlich können etwa 95% eines Solarmoduls wiederverwertet werden. Gleiches gilt auch für Batteriespeicher.
Ein Vergleich der Stromkosten zeigt, dass Atomstrom am teuersten ist, wie aus einer Tabelle von FOCUS Online hervorgeht. Zusammen mit den Produktions- und Umweltfolgekosten beläuft sich der Preis für Atomstrom auf 34 Cent pro Kilowattstunde. Im Vergleich dazu liegen die Kosten für Windenergie auf See bei 11,1 Cent, für Windenergie an Land bei 6,4 Cent pro kWh und für Solarenergie bei 9,2 Cent. Für die fluktuierenden Energiequellen Wind und Sonne sind nach wie vor zuverlässige Ausgleichssysteme erforderlich. Mini-Atomkraftwerke erscheinen jedoch keine umfassende Lösung zu sein. Die hohen Baukosten machen den dort erzeugten Strom noch teurer, wenn die Kraftwerke nur als Ausgleichssysteme dienen und nicht mit voller Auslastung betrieben werden.
Solltest du noch Fragen haben oder dir ein persönliches Gespräch wünschen, melde dich gerne über unser Kontaktformular bei uns.